Der klassische Testmanager als Bestseller

Historisch betrachtet ist der Testmanager ein Bestseller. Betrachtet man Statistiken für den ISTQB® Certified Tester Standard, so wird das Zertifikat „Advanced Level Test Manager“ nur noch vom „Foundation Level“ Zertifikat übertroffen, welches Voraussetzung für alle weiterführenden Zertifizierungen ist. Etwa jeder sechste Inhaber des Foundation Level Zertifikats erwirbt statistisch betrachtet früher oder später auch die fortgeschrittene Zertifizierung als Testmanager. Viele Tester sehen also die Entwicklung zum Testmanager als vielversprechenden Karriereschritt. Auch ein Blick auf Stellenausschreibungen und Kontaktaufnahmen von Personalvermittlern unterstreicht dieses Bild. Viele Berater machen die Erfahrung, dass es sinnvoller ist, ihren Kunden das Testen zu erklären und Tests zu koordinieren, anstatt alle Testtätigkeiten selbst durchzuführen.

Produktentwicklung im Wandel

Im vergangenen Jahrzehnt haben sich viele Unternahmen in eine agile Transformation begeben. Das Ziel ist schnell umrissen: Man möchte schneller und flexibler auf sich ändernde Anforderungen reagieren und effizienter werden in der Auslieferung wertschöpfender Produktinkremente. Dies hat zu tiefgreifenden Veränderungen geführt, die weit über die Entwicklungs- und Testorganisation hinausgehen: Interdisziplinäre, selbstorganisierte Teams setzen innerhalb von Frameworks wie Scrum oder Kanban in kleinen Schritten Produktverbesserungen um. Die Planung und Steuerung von Produktreleases orientiert sich an Skalierungsframeworks wie Nexus oder SAFe. Konzepte wie DevOps und Continuous Delivery sollen die Zusammenarbeit zwischen Entwicklung und IT-Betrieb verbessern.

Wo bleibt da der Testmanager?

Angesichts dieser Veränderungen erscheint der Testmanager auf den ersten Blick ein Auslaufmodell zu werden. Testen ist in den Entwicklungsprozess (und als Steigerung auch in den Live-Betrieb) voll integriert und ein selbstorganisiertes und eigenverantwortliches Team braucht keinen „Aufpasser“, der vorgibt, was, wann, wo, wie und von wem zu testen ist. Der aktuelle Scrum Guide ist sehr klar in seiner Rollenzuweisung: Ein Scrum Team besteht aus einem Scrum Master, einem Product Owner und mehreren Entwicklern, wobei eine maximale Teamgröße von 10 Personen empfohlen ist. Klassische Rollen der Qualitätssicherung wie „Tester“ oder „Testmanager“ sind daher in einem Scrum Team nicht angesagt. Andererseits ist aber auch klar, dass ein Scrum Team Skills aus den Bereichen Test und Testmanagement benötigt, um ein Produktinkrement in der vereinbarten Qualität abliefern zu können. Ein Testmanager könnte also in der Rolle „Entwickler“ Teil des Teams sein und dort seine spezifischen Test- und Testmanagement Skills in die Teamarbeit einbringen. Oder er könnte (etwa in der Rolle eines „Test Coach“) außerhalb des Teams angesiedelt sein und diesem beratend zur Seite stehen. In beiden Fällen wird sich das Rollenverhalten des Testmanagers ändern müssen vom klassischen, direkten Management zu einer überzeugenden und kompetenten Beratung in Sachen Test und Testmanagement.

Aufgaben des Testmanagers nach ISTQB®

Der ISTQB® Certified Tester ist der de facto Standard für die Ausbildung von Testern und Testmanagern. Insofern ist es sinnvoll, die Aufgaben des Testmanagers gemäß dem Lehrplan zum ISTQB® Advanced Level Testmanager zu betrachten. Grundsätzlich bleiben alle diese Aufgaben auch im Kontext agiler Produktentwicklung relevant. Allerdings werden einige Aufgaben bei der agilen Transformation an ein selbstorganisiertes und eigenverantwortliches Team übergehen, während andere Aufgaben weiterhin gut bei einer dedizierten Testmanager Rolle aufgehoben sind.

Was muss der Testmanager nicht mehr machen?

Was in die Gesamtverantwortung des agilen Teams übergehen sollte ist – vereinfacht gesagt – das operative Testmanagement. Das gesamte Team hat die Verantwortung, die Testaufgaben zu planen und diese Planung geeignet zu dokumentieren. Dazu gehören auch die Aufwandsschätzung und die teaminterne Verteilung der Testaufgaben. Weiterhin verantwortet das gesamte Team die Überwachung und, falls vereinbart, das Reporting des Testfortschritts sowie bei Bedarf die Umsetzung geeigneter Maßnahmen, um Verzögerungen im Test zu kompensieren. Agile Teams brauchen keinen Chef, der Testarbeiten verteilt, Fortschritte abfragt, und „Dampf macht“, wenn der Zeitplan wackelt. Auch ein genialer Überflieger, der Produkt und Fachlichkeit selbst am besten kennt, wird nicht mehr benötigt.

Welche Testmanager Aufgaben bleiben wichtig?

Von diesen traditionellen Erwartungen befreit kann der Testmanager sich mehr auf Aufgaben konzentrieren, die Menschen, Teams und Organisationen beim Testen unterstützen.

Testmanager befähigen agile Teams zum Testen, indem sie …

  • Menschen mit Test Skills finden
  • den Aufbau von Test Skills unterstützen
    • Coaching von Testern
    • Förderung von Tester Netzwerken
  • Karrierepfade aufzeigen
  • Training anbieten
  • Testprozessverbesserungen vorschlagen

Testmanager beseitigen als Eskalationspunkt Hindernisse wie z.B. …

  • Testautomatisierungs-Framework muss überarbeitet werden
  • Instabile Testumgebung
  • Unzureichendes Review der Testfälle
  • Grundsatz „Qualität ist Teamverantwortung“ ist noch nicht verinnerlicht

Testmanager bieten Anleitung bezüglich …

  • Testverfahren
  • Testwerkzeuge
  • Einsatz von Metriken
  • Testaufwandsschätzung
  • Risikobasiertes Testen

Testmanager repräsentieren Testen innerhalb der Organisation, indem sie

  • den Geschäftswert des Testens aufzeigen
  • eine Übersicht über Fähigkeits- und Reifegrad im Test herstellen
  • den Aufbau von Testkapazitäten in der Organisation unterstützen
  • das notwendige Budget für Testdienstleistungen abschätzen

Neue Herausforderungen durch Skalierung

Bei großen und komplexen Produkten reicht ein agiles Team in der Regel nicht mehr aus, um die Bedürfnisse aller Stakeholder zeitnah umzusetzen. Somit bedarf es einer Skalierung der agilen Ansätze zur Produktentwicklung, damit mehrere Teams gemeinsam an einem kohärenten Produkt arbeiten können. Durch die Skalierung entsteht teamübergreifend die Disziplin des Produktmanagements, welche sich mit der Planung und Steuerung von Produkten und Dienstleistungen über deren gesamten Lebenszyklus befasst. Das Produktmanagement definiert die produktbezogenen Qualitätsvorgaben, welche in der Definition of Done des Produkts verankert werden. Sinnvollerweise sollte das Produktmanagement dazu auch in einer produktbezogenen Teststrategie seine Erwartungen formulieren an die Tests, welche die agilen Teams im Rahmen der Produktentwicklung durchführen.

Die produktbezogene Teststrategie sollte unter anderem Vorgaben machen für

  • Vorgehen beim Integrationstest
  • Anzuwendende Testverfahren
  • Verwendung der unterschiedlichen Testumgebungen
  • Einsatz von Testwerkzeugen und -automatisierung
  • Wiederverwendung und Konfigurationsmanagement von Testartefakten
  • Umgang mit Regressionstests
  • Nutzung von Metriken zur Teststeuerung
  • Berichtswesen

Viele Organisationen prägen dazu innerhalb des Produktmanagements eine dedizierte Rolle „Testarchitekt“ aus, welche die produktbezogene Teststrategie erarbeitet und agile Teams bei deren Umsetzung unterstützt. Erfahrene Testmanager sind natürlich aufgrund ihrer Fähigkeiten für eine solche Rolle prädestiniert.

ISTQB® Produkt in der Entwicklung

ISTQB® hat auf den Bedarf reagiert, das Testmanagement im Kontext skalierter agiler Produktentwicklung neu zu positionieren, und entwickelt derzeit den Lehrplan für ein neues Advanced Level Zertifikat „Agile Test Leadership at Scale (CTAL-ATLaS)“.

ISTQB Agile Test Leadership at Scale (CTAL-ATLas)
Dr. Thomas Harms

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